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Donald - Vom Schatten ins Licht

Hallo, ich bin Donald.

Leben...

Was bedeuted es zu leben?

Sich klein machen, zurückhaltend sein und immer vorsichtig fragen... 

Oder vielleicht doch noch etwas anderes? Etwas schönes?

 

Mit dieser Frage möchte ich meine Geschichte beginnen, denn sie begleitet mich Tag für Tag wie eine alte Gewohnheit. Man mag sie nicht so richtig aber sie fühlt sich vertraut an und gibt Sicherheit. Sie erinnert mich, nicht zu schnell meine Pfade neu abzustecken, denn Voreiligkeit hat mich mein Leben schon bitter bestraft. Ich bin vorsichtig geworden, gehe lieber zwei Schritte zurück als einen nach vorn, auch wenn ich das nur zu gern machen würde. Es würde so vieles leichter machen aber ich bin noch nicht ganz soweit. Ich brauche Zeit und die bekomme ich auch von meinen lieben Menschen, das lässt mich Stück für Stück wieder mehr zu mir werden, zu dem Donald der ich einst war: Der Fröhliche, der Übermütige, der Verspielte.

 

Doch nun zu meiner Vergangenheit, die mich zu dem geformt hat, der ich jetzt bin. Als ich mit meinen Geschwistern zur Welt kam, lebte unsere Mama in einer Wohnung bei einer Frau, die aber die meiste Zeit so sehr mit sich und ihren Problemen beschäftigt war, dass sie immer wieder vergaß sich um uns zu kümmern. Außer uns lebten auch noch mehrere Katzen bei ihr, die sich mit uns die kleine Wohnung teilten. Die meiste Zeit waren wir uns selbst überlassen und so regelten wir alles untereinander, legten unsere Rangordnung fest und taten was wir für richtig hielten. Ich war damals sehr übermütig und spielte nur zu gern mit meinen Geschwistern. Wir rauften uns und spielten "Fangen" durch die ganze Wohnung. Eines Tages wollte ich besonders schnell um eine Ecke rennen und blieb dabei an einer Dekofigur hängen, die daraufhin umfiel und kaputt ging. An dem Tag hatte die Frau gerade Besuch von einem Mann der ab und zu mal da war und sie hatten beide schon ziemlich viel von einer seltsam riechenden Flüssigkeit getrunken, die sie immer komischer sprechen ließ. Das kam öfter vor und und der Mann mochte uns noch nie besonders, nur heute hatte er besonders schlechte Laune. Er schrie uns schon die ganze Zeit an, weil ihn unser wildes Spiel nervte. Aber nun, als ich aus Versehen etwas kaputt gemacht hatte, sprang er mit einem mal auf und rannte auf mich zu. Er brüllte dabei so entsetzlich laut, dass ich mich vor Angst zusammenduckte und mich zu verstecken versuchte. Aber er war viel schneller als ich und packte mich mit seiner großen Hand im Genick. Er brüllte mich immer noch an und schüttelte mich dabei so sehr, dass mein ganzer Körper weh tat. Dann auf einmal passierte es: Er schlug er zu. Ich schrie vor Schmerzen und Angst aber er holte schon wieder aus. Nun sprang die Frau auf, packte ihn am Arm und flehte ihn an aufzuhören. Das tat er dann auch und schmiss mich einfach wie ein unliebsames Spielzeug in eine Ecke, in der ich dann noch stundenlang regungslos liegen blieb. Das war meine erste Lektion im Leben - zurückhaltend sein und sich klein machen.

 

Das tat ich fortan auch immer wenn der Mann da war und es funktionierte ganz gut. Bis zu dem einen Tag im Sommer, als die beiden mit uns irgendwo hin fahren wollten. Wir saßen alle schon im Auto, die Tür war aber noch offen, als ich plötzlich meinen Quietschie verlor und der dann ausgerechnet noch aus dem Auto rollen musste. Ich liebte den Quietschie sehr und deshalb sprang ich ihm schnell hinterher. Im gleichen Moment schlug der Mann die Autotür zu. Ich war mit einer Pfote schon über den Türabsatz und so klemmte er mir mein Bein mit voller Wucht zwischen Tür und Rahmen ein. Der Schmerz kam so plötzlich und heftig, dass mir schwarz vor Augen wurde. Als ich wieder zu mir kam, hämmerte mein ganzes Bein wie verrückt und war sehr dick angeschwollen. Da die Frau mit uns nie zum Tierarzt ging, hielt dieser Zustand wochenlang an und genau so lange konnte ich kaum laufen. Ich dachte ich muss diese Schmerzen mein Leben lang fühlen, doch die Zeit besserte glücklicherweise meinen Zustand. Noch heute sieht man die Stelle an der mein Bein damals gebrochen ist. Später, als wir da weggeholt wurden, mussten mir auch noch zwei Zehen entfernt werden, die durch die Quetschung nicht mehr gerettet werden konnten. Es war nichts mehr zu machen, diese Situation hat mich für immer gezeichnet.

Das war meine Zweite Lektion - immer erst vorsichtig fragen.

 

So lebten wir noch eine Weile bei der Frau, bis eines Tages Menschen kamen und lange auf sie einredeten. An diesem Tag war auch der Mann nicht da und so willigte sie schließlich ein, dass die Fremden uns mitnehmen durften. Wir kamen in ein Heim, in dem schon viele andere Tiere untergebracht waren. Auch ganz viele Hunde gab es dort. Anfangs waren wir total überfordert und ließen niemanden an uns heran, doch das gab sich nach und nach, denn wir merkten dass uns dort nichts böses passieren würde. Meine Mama und meine Geschwister wurden schnell von lieben Menschen adoptiert - nur ich saß noch immer da und wartete. Das ging tagein und tagaus so, die Leute kamen und gingen. Wie oft hörte ich "Ach der arme Donald mit seinem Beinchen, der tut einem so leid.", nur mitgenommen hat mich keiner. Bis irgendwann durch Zufall - oder war es Schicksal? - meine Menschen auf mich aufmerksam wurden und sich sofort in mich verliebten. Das Leben meinte es nun zum ersten mal wirklich gut mit mir, denn kurze Zeit später durfte ich bei ihnen einziehen. Ich war so glücklich! Aber als ich das erste mal seit der Frau wieder in einer Wohnung war, kamen alle schlimmen Erinnerungen an die Vergangenheit wieder in mir hoch und ich tat was ich gelernt hatte: Mich klein machen und Zurückhaltung zeigen. Ich brauchte eine Weile um aufzutauen und noch heute gibt es Situationen in denen ich lieber erst vorsichtig frage, bevor ich überstürzt meinem Herzen folge. Aber sie sollen wissen, dass ich sie über alles liebe und die Chance die sie mir gegeben haben alles für mich bedeutet.

 

Auch bei ihnen hat das Leben mich neue Lektionen gelehrt aber diese sind so ganz anders als die davor, nämlich: Freude zulassen, spielen dürfen und bedingungslos Vertrauen können. Ab und zu falle ich trotzdem noch in alte Muster, vor allem bei Menschen die ich nicht kenne oder neuen Situationen. Dann mache ich mich lieber erstmal wieder etwas kleiner und frage vorsichtig, auch nach Streicheleinheiten, die ich doch eigentlich so genieße.

Aber die vielen positiven Erlebnisse lassen mich die lästigen Gewohnheiten nach und nach ablegen und durch neue, schöne ersetzen.

 

Und so fügt sich für mich mit jedem neuen Tag, den ich bei meinen Menschen bin, ein weiteres Puzzleteil zu dem großen Ganzen hinzu, zu der einen wichtigen Frage: Was bedeutet es zu leben? ...

 

 

Das Urheberrecht für Foto und Text liegt bei Lysann Morgenstern Fotografie

Hintergrundinformation:

 

Donald und die anderen Tiere wurden aus einem Haushalt beschlagnahmt, in dem sich nicht um sie gekümmert wurde. Dort war keinerlei medizinische Versorgung möglich, noch konnte die Vermehrung der Tiere verhindert werden, was die Situation zusätzlich verschärfte. Danach kamen sie in ein Tierheim und Donald wurde in der Sendung "Tierisch tierisch" des MDR vorgestellt. Zu der gleichen Zeit lernte seine neue Familie ihn kennen und adoptierte ihn. Donald taut mit jedem Tag mehr auf.

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